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Tauchtauglichkeitsuntersuchung

Niemals ohne... Bestätigung deiner Tauchtauglichkeit!

Heute geht es mir um ein wichtiges Thema: die Tauchtauglichkeit! Denn überall dort, wo die Umgebung nicht gerade menschenfreundlich ist, solltest du vorab checken bzw. checken lassen, ob dein körperlicher und auch geistiger Zustand für eine solche Umgebung überhaupt geeignet ist. Du musst verstehen, was in dieser fremden Umgebung anders ist, wie sich veränderte Kräfte, die zunehmenden Drücke auf deinen Körper auswirken. Nur dann kannst du entsprechend reagieren und dich und deinen Körper an die Umgebung anpassen. Das gilt für Menschen mit oder ohne Behinderungen gleichermaßen! 


"Bevor Sie einen 5.000er besteigen oder an einem Triathlon teilnehmen, lassen Sie sich ja auch untersuchen, ob Ihr Körper dazu überhaupt in der Lage ist."

Prof. Dr. med. Andreas Koch, Internist & Sportmediziner


Wer tauchen möchte, muss tauchtauglich sein. Ohne Wenn und Aber! Was bedeutet "tauchtauglich" überhaupt? So lautet die Definition: Die Tauchtauglichkeitsuntersuchung (kurz: TTU) ist eine Eignungsuntersuchung durch einen entsprechend qualifizierten Arzt, die überprüft, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Tauchen gegeben sind. Da stellt sich schon die erste Frage: Wer darf überhaupt eine TTU durchführen? Spannende Antworten findest du im Interview mit Prof. Dr. med. Andreas Koch, Mitglied der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM).

Herr Prof. Dr. Koch, sollte ein nach GTÜM anerkannter Taucharzt selbst auch brevetierter Taucher sein?

Das wird von der GTÜM laut Weiterbildungsordnung bereits für Diplom I, Tauchtauglichkeitsuntersuchungen, gefordert, es sind aber in Einzelfällen Ausnahmen möglich. Es macht es für den Arzt selbst allerdings leichter, wenn er zumindest mal ausprobiert hat zu tauchen.

 

Nicht anders ist es beim Druckkammerarzt, der Taucher nach Tauchunfällen behandelt. Da wird genauso verlangt, dass der Arzt selbst auch Taucherfahrung hat, um einen Tauchunfall ordentlich beurteilen zu können. Denn sehr wichtig für die ärztliche Entscheidung ist es zu wissen, welche Fragen er an den verunfallten Taucher stellen muss. Dazu muss er verstehen, was der Taucher getan hat.


Zu sehen ist Professor Koch in einem blauen HEmd, Brille, mit sportschuhen über der SChulter

Prof. Dr. med. Andreas Koch

Internist und Sportmediziner

 

Sekretär im Vorstand der GTÜM

 

Leiter der Sektion Maritime Medizin am
Institut für Experimentelle Medizin,
Universität Kiel

Foto: Institut für Sportwissenschaft, Uni Kiel


Gesundheitliche Voraussetzungen - Ihr Rat an Menschen mit Behinderung

Wenn Lunge und Herz es zulassen, dann können auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen tauchen. Sie müssen dann, je nach Einschränkungen, andere Bewegungstechniken ausprobieren und lernen. Wichtig ist hier ein guter Ausbilder, der dem Taucher eine andere Technik beibringt.

Bei einer gefahrengeneigten Aktivität in einem Umfeld, das riskant ist, sollte man grundsätzlich vorsichtig sein. Es geht darum, dass auch der Helfer im Notfall eventuell einen Helfer braucht. Im Schwimmbad ist das etwas anders, hier ist viel mehr Sicherheit gegeben.

Beim Sporttauchen geht es darum, die körperliche Voraussetzung zu haben, um

  • sich selbst zu helfen,
  • sich tarieren zu können und
  • sich auf einer bestimmten Tiefe fortbewegen zu können.

Geistige Einschränkungen, die formales Denken nicht zulassen, sind ein Ausschlusskriterium, da sonst das gesamte Tauchteam in Gefahr geraten kann. 

An erster Stelle steht immer die Frage: Was will er/sie?

Tauchen im Schwimmbad für das Gefühl der Schwerelosigkeit? Dann kann man auf viele körperliche Voraussetzungen verzichten. Für Menschen mit Tetraplegie zum Beispiel steht die Schwerelosigkeit im Pool im Vordergrund. Das kann therapeutisch sehr gut sein, entspricht aber nicht dem Sporttauchen.


Prof. Koch, was ist an der TTU für Menschen mit Behinderung anders?

Menschen mit Querschnitt haben oft das Problem, ihre Lunge ausreichend zu belüften. Das erhöht die Gefahr eines Barotraumas. Wichtig ist es daher besonders bei Sitzenden, die Lungenfunktion zu prüfen. 

Ab dem 40. Lebensjahr obligat: das Belastungs-EKG. Gibt es hierzu besondere Regelungen für Taucher mit Behinderung?

Allgemein gibt es ein erhöhtes Lebensrisiko unter Wasser. Die Gefahren sind für alle gleich. Ein Herzanfall unter Wasser? Das will keiner riskieren. Daher ist Vorsicht geboten in einer Umgebung, die Ihnen nach dem Leben trachtet. Ergometrie dient letztlich der Beurteilung der Herzkranzgefäße. Für Taucher mit Gehbehinderung gibt es Handkurbelergometer. 

Seekrankheit – sind behinderte Menschen besonders betroffen?

Das ist an sich kein Problem, es gibt Medikamente dagegen. Bei manifester Seekrankheit sollte man, mit oder ohne Behinderung, ohnehin nicht tauchen.


Wem würden Sie die TT-Bescheinigung verweigern?

Wenn die Kriterien der allgemeinen Tauchtauglichkeit für Herz, Kreislauf und Lunge, z.B. mindestens 80 Prozent des Normwertes in der Lungenfunktion, nicht erreicht werden. Dann halte ich es für nicht vertretbar. Der Taucharzt muss darüber hinaus einschätzen, wie sich der Taucher selber helfen kann bei Störung oder gar Gefahr, zum Beispiel: Wie bläst ein einarmiger Taucher die Maske aus? Es kann also sein, dass er selbst bei Standardtätigkeiten Helfer braucht. 

Der Eigenschutz steht immer an erster Stelle!

Einem Blinden fehlen beim Tauchen praktisch zwei Sinne, denn unter Wasser funktioniert das Richtungshören nicht richtig. Ich sehe es daher als grenzwertig, wenn ein blinder Taucher seine/seinen Buddy nicht lokalisieren kann. Wenn der Taucher durchsackt, komme ich als Buddy eventuell nicht mehr hinterher. Hier gilt also besondere Sorgfalt, z.B. eine feste Verbindung zum beeinträchtigten Taucher und ein zweiter Buddy.


Prof. Koch, was passiert, wenn Taucher bestimmte Einschränkungen nicht angeben?

Wenn ich dem Arzt falsche Aussagen zu meinem Gesundheitszustand mache, ist das nicht nur ein Risiko für mich und das gesamte Tauchteam, sondern kann auch Folgen für meinen Versicherungsschutz haben, wenn die Versicherung das TTU-Zeugnis verlangt. Das kann im Zweifel sehr teuer werden.

 

Der Arzt darf sich darauf verlassen, was im Anamnesebogen steht. Wurde der Arzt getäuscht, etwa von einem älteren Taucher, der weniger fit ist als er selbst angegeben hat, muss der Arzt dem nicht nachgehen. Der Taucharzt ist kein Staatsanwalt, er muss nicht ermitteln. Er handelt nach bestem Wissen und Gewissen.


Tauchen und „Volkskrankheit“ Bluthochdruck – wie passt das zusammen?

Gerade bei Bluthochdruck-Patienten mit bereits gestörter Herzfunktion kann der Herzmuskel beim Tauchen bei Zusammentreffen verschiedener Faktoren überlastet werden. Eine solche Überforderung insbesondere der linken Herzkammer, die das Blut in den Kreislauf pumpt, erhöht die Gefahr eines Lungenödems unter Wasser. 


Welche Auswirkungen hat eine Corona-Infektion auf die Tauchtauglichkeit?

Bei einer Infektion mit dem Erreger SARS-CoV2 erlischt zunächst eine vorhandene Tauchtauglichkeit. Wer 10 Tage lang nach Genesung vollkommen beschwerdefrei bleibt, kann grundsätzlich wieder tauchen. Anders sieht es allerdings bei Long-/Post-Covid aus, hier muss der Taucherarzt genaue Untersuchungen durchführen, und es gelten längere Genesungsfristen. 


Hier geht es zu den Empfehlungen von GTÜM, DLRG und VDST zur Rückkehr zum Tauchsport nach einer Infektion mit SARS-CoV2 (Wieder)Erteilung der Tauchtauglichkeit III-2022 (Stand August 2022)



Tauchen unter Medikation – was ist zu beachten?

Bei der Menge der verordneten Medikamente muss man immer den Einzelfall betrachten. Viele Medikamente beeinträchtigen das Tauchen nicht, aber es gibt sehr problematische Medikamente, z.B. Betablocker. Auch für Typ 1-Diabetiker, die Insulin benötigen, müssen sehr genaue Vorkehrungen getroffen werden. Es gibt auch Medikamente, die das Tauchen komplett ausschließen, das muss mit dem Taucherarzt geklärt werden.


Prof. Koch, noch eine letzte Frage: Wie kann sich der erhöhte Umgebungsdruck unter Wasser auf Menschen mit Behinderung auswirken?

"Unter Wasser bei Immersion und erhöhtem hydrostatischem Druck in den Beinen entleeren sich die Venen besser. Das kann insbesondere in warmem Wasser bei Muskelspastiken erleichternd wirken."

Die beste Nachricht also zum Schluss. Vielen herzlichen Dank Prof. Koch, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. 

Immersion beim Tauchen

Immersion bezeichnet einen Reflex, den alle Säugetiere haben: Der Körper reagiert, sobald er ins Wasser eintaucht. Eine wesentliche Veränderung des Herzkreislauf-Systems ist die Blutumverteilung aus den Beinvenen in den Thoraxraum. Der erhöhte Umgebungsdruck im Wasser drückt die elastischen Venen der unteren Gliedmaßen förmlich zusammen und presst das Blutvolumen heraus in die Lungengefäße. 


Ein sehr interessantes Interview, wie ich finde. Wesentliche Unterschiede bei der Tauchtauglichkeits-Untersuchung zwischen Tauchern mit und ohne Behinderung hat Prof. Koch mir nicht genannt. Und das ist gut so! Ich hatte nichts anderes erwartet und bin sehr happy, dass der renommierte Tauchmediziner  genau das bestätigt hat, was ich ja so vehement vertrete: Tauchen mit Behinderung - YES!

 

Sind noch Fragen zur TTU offen? Noch mehr Wissenswertes rund um das Thema Tauchtauglichkeit findest du unter dem Menüpunkt Tauchmedizin. Schau dort einfach mal vorbei. Hier geht's lang. 

 

Eure Nicole


Hier kannst du deine Tauglichkeit überprüfen lassen

Die Geschäftsstelle der GTÜM e.V. führt eine online abrufbare Datenbank mit GTÜM Ärzten in Deutschland, die fachkundig Tauchtauglichkeitsuntersuchungen durchführen. Nach Postleitzahlen sortiert findest du Taucherärzte in Deutschland unter www.gtuem.org.

Taucherärzte in Österreich findest du auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Tauch- und Hyperbarmedizin unter www.oegth.at.

Taucherärzte in der Schweiz findest du auf der Homepage der Schweizerischen Gesellschaft für Unterwasser- und Hyperbarmedizin unter www.suhms.org.

(Quelle: GTÜM. Die Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.)


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