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Tauchen mit Dystonie

NoLimits hieß es erneut beim EC-Diving-Club Ingolstadt, als wir die an Dystonie erkrankte Michaela W. und ihren Mann Alexander W. zum ersten Mal durchs Wasser führen konnten. NoLimits, so nennen wir unsere Aktionen, bei denen wir ehrenamtlich vom Verein, unterstützt durch unseren Ausbildungspartner Tauchbasis Schwerelos, Menschen mit körperlichen Einschränkungen Schnuppertauchen im Schwimmbad ermöglichen. 

Michaela und ihr Mann Alexander sind einige Wochen zuvor beim Markt der Möglichkeiten der Stadt Ingolstadt auf uns zugekommen. Dort haben wir ja unseren EC-Diving-Club und das NoLimits-Tauchen präsentiert, um Menschen mit Behinderung aus der Region zu zeigen, was alles möglich ist. Auch Tauchen mit Handicap! Die beiden sind unserer Einladung gefolgt, zum Schnuppertauchen ins Sportbad zu kommen. Gemeinsam, denn Tauchen ist eine absolut inklusive Sportart, die Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam ausüben können. 


Mit gesundem Menschenverstand und ein wenig Kreativität ist vieles möglich! Mit dieser Einstellung bringen wir (fast) jeden unter Wasser. Und auch wieder raus, versteht sich. Unsere Schnupperer haben das gleich mal in die Tat umgesetzt: Da Michaela einige Meter am Stock laufen kann, wurde ihr Rolli kurzerhand zum Transport von Tauchflaschen & Co. hergenommen. Sehr schlau! 

 

 

Überraschung schon bei der Begrüßung: Chris R., der heute gemeinsam mit Alex K. das NoLimits-Schnuppertraining macht, und unsere Probandin Michaela sind sich bereits bei ihrem gemeinsamen Arbeitgeber begegnet. Und heute wird also gemeinsam getaucht.

Helfer für Handicaptaucher - Adaptive Support Diver

Damit Michaela, falls sie das Tauchfieber erwischt, dann auch gleich einen Tauchbuddy zur Seite hat, taucht ihr Mann ebenfalls mit ab. Somit erleben beide gemeinsam einen sehr sanften Einstieg in die wunderbare Welt der Schwerelosigkeit. Es ist kein Muss, aber sehr empfehlenswert, sich zum Adaptive Support Diver ausbilden zu lassen, wenn man selbst seinen Partner mit Behinderung beim Tauchen begleiten möchte. Aber das ist für Alexander noch Zukunftsmusik. Erst einmal reinschnuppern. 

Tauchen mit Behinderung - Helfer erwünscht

Das Schnuppertauchen mit Menschen mit körperlichen Einschränkungen läuft zwar im Grunde genauso ab wie jedes andere Schnuppertauchen auch - mit dem Unterschied, dass der Tauchneuling, je nach Art und Ausprägung seiner Behinderung, eben mehr Unterstützung braucht. Michaela, die an Dystonie erkrankt ist, benötigt unsere helfenden Hände von Anfang an: vom Transport und Zusammenbau der Tauchausrüstung über das Anziehen des Tauchanzugs bis zum Einstieg ins Wasser. Bis dahin klappt alles bestens. Aber dann...  

Adaptive Diving heißt auch: Equipment individuell anpassen

Die Flossen passen nicht. Doch, sie passen schon, aber aufgrund der Fußhaltung kriegen wir Michaelas Fuß einfach nicht rein in die Gummischuhe. Lessons learned: besser Füßlinge und Taucherflossen statt Schwimmbadflossen nehmen und gleich darauf achten, dass die Füßlinge sich sehr leicht an- und ausziehen lassen. Wieder was gelernt. Irgendwie schaffen wir es dann doch, Michaelas Füße in die Flossen zu stecken. Und los geht es! 

Die ersten Atemzüge unter Wasser, durch den Atemregler, sind für jeden ein besonderes Erlebnis, egal ob beim Schnuppertauchen mit oder ohne Handicap! Da das bei beiden bestens klappt und die Ausrüstung sitzt, starten wir gemeinsam die ersten Schwebeversuche durchs warme, stehtiefe Becken. Während die Instruktoren den beiden ohne eigene Tauchausrüstung zur Seite stehen, um jederzeit unmittelbar eingreifen zu können und auch, um Michaela zeitweise an der Flasche zu führen, begleite ich die beiden unter Wasser. 


Wie du hier erkennen kannst, hat Alexander (rechts auf dem Bild) bereits eine gut austarierte Haltung, während seine Frau Michaela (daneben) aufgrund der Dystonie unter Wasser noch nicht die optimale Balance zum Tauchen hat.

Noch nicht - denn genau das sehe ich als eine der wichtigsten Aufgaben beim Tauchen mit Handicap: die Tauchausrüstung auf den Taucher und seine individuellen Einschränkungen anzupassen. Die englische Bezeichnung für Handicaptauchen bringt es auf den Punkt: "adaptive diving" = angepasstes Tauchen. 

Dystonie - wenn die Muskeln machen, was sie wollen

Eine Dystonie ist eine Bewegungsstörung. Die Betroffenen leiden unter unwillkürlichen, also nicht willentlich steuerbaren Muskelkontraktionen. Diese können zu Fehlstellungen einzelner Körperteile führen. 

Anders als bei Muskelkrämpfen dauern die Muskelspannungen bei Dystonie lange an. Zudem haben sie einen völlig anderen Ursprung: Während Muskelkrämpfe durch kurzzeitige Störungen im Muskel selbst entstehen, beruht eine Dystonie wahrscheinlich auf einer Fehlleistung jener Hirnareale, die für die Bewegungskoordination zuständig sind. (Quelle: netdoktor.de)

Tauchen mit Dystonie - unser Fazit

Alles ist möglich! Auch das Tauchen mit der Bewegungsstörung Dystonie. Wichtig ist dabei, von Anfang an auf die jeweiligen körperlichen Einschränkungen einzugehen, Lösungen zu finden, wie es trotzdem funktionieren kann, die Ausrüstung individuell anzupassen, besonders nah am Tauchschüler zu bleiben, weitere Helfer bzw. zertifizierte Handicap-Instruktoren und Tauchbegleiter mit dazu zu nehmen und sich langsam heranzutasten. 

Es war ein tolles Erlebnis! 

 

Eure Nicole

Fotos und Video: N. Kraß, M. Suppa 


Herzlichen Dank an die Tauchbasis Schwerelos in Ingolstadt, die uns das Leihequipment für das NoLimits-Schnuppertauchen kostenlos zur Verfügung stellt. Und vielen lieben Dank an alle Beteiligten vom EC-Diving-Club Ingolstadt.


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