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Tauchausbildung: Jenga!

Jenga, das kennst du bestimmt. Turm stapeln, immer drei Hölzchen nebeneinander, dann nacheinander Klötzchen rausziehen und wieder obendrauf packen. Verloren hat, bei wem der Turm in sich zusammenbricht. 

Nicole von Tauchen mit Handicap sitzt hinter einem Stapel Holzklötzchen und schiebt mit einem Finger ein Klötzchen heraus

"Änderst du nur eine Sache, gerät deine ganze Tarierung aus dem Gleichgewicht."

Das Bauwerk steht. Stabil. Altbekannt. Dann ändert sich was, nach und nach geht Stabilität verloren. Mit jedem Hölzchen, das du rausziehst, wird der Turm wackeliger. So läuft das beim Jenga.

So ähnlich ist das beim Tauchen mit Handicap

Die Ausrüstung passt, angepasst auf den Taucher uns seine besonderen Bedürfnisse. Angenommen, ein Bein lahmt, fehlt oder hat einfach nicht genug Kraft zum Flossenschlagen. Und schon ist die Balance aus dem Tritt. Die Lösung liegt beim Tauchen auf der Hand: zusätzlich hier und da Blei anbringen, weglassen, anderswo platzieren. Solange ausprobieren, bis der Adaptive Diver, also der Handicaptaucher, gut austariert ist.

Der Unterschied zwischen Jenga und Tauchen, mit oder ohne Handicap

Der Unterschied zum Jenga: Beim Taucher kannst die Balance wiederherstellen. Zugegeben, das kann auch mal ein wenig länger dauern. Ja und? Zeit und Geduld sind die wichtigsten Voraussetzungen, um entspannt abzutauchen – finde ich. Hektik hat beim Tauchen nichts zu suchen, schon gar nicht, wenn du Taucher mit Handicap dabeihast. 

Also der Vergleich mit dem Jenga-Turm ist mir bereits im Wasser eingefallen, als wir verschiedene Übungen im See simuliert haben. Alles kannst du ja nicht ausprobieren. Schließlich ist jede Behinderung dann doch wieder individuell – und jeder Taucher sowieso. 

Aus dem Gleichgewicht

Also habe ich beim Simulieren eine meiner tatsächlichen Einschränkungen noch etwas ausgebaut: mein rechtes, schwaches Bein habe ich bei der Übung einfach nur so hängen lassen. Fatal. 

Nicole von Tauchen mit Handicap und Chris in einem See, mit Taucherausrüstung, Chris trägt eine Tauchermaske

Änderst du nur eine Sache, gerät deine ganze Tarierung aus dem Gleichgewicht. Ich habe mich unkontrolliert auf die Seite gedreht. Meine Adapative Support Buddies waren ganz schön beschäftigt. Mit Drehen, aber auch damit, auszuprobieren, wie ich in eine optimale Haltung finde. Was für ein Unterschied, wenn du mal nur mit einer Flosse tauchst. Probier’s selbst aus! 

Sebastian im Taucheranzug und mit abgeklebter Tauchermaske sitzend am Seeufer

Sebastian: Blind. Er hat sich total bedrängt gefühlt, zu sehr „betüttelt“. Außerdem wäre er lieber näher am Grund getaucht als komplett schwerelos im Raum. Weniger ist mehr. Das richtige Maß finden.

 

Vor allem beim Tauchen mit Sehbehinderten besonders wichtig: vorab ganz genau absprechen, wo und wie der Buddy ihn hält, wie man die wichtigsten Zeichen signalisieren will. Sebastian fand es toll, fühlte sich gut an. Darum geht es ja!

zwei Taucher mit Ausrüstung, Kopf oberhalb vom See, einer hat eine abgeklebte Maske

Auch Achim hat sich für das Nullsicht-Tauchen entschieden. Seine „Erfahrung“ beim Tauchen ohne Sicht ist gleich ganz anders. Denn er wiederum hätte sich eher mehr Nähe seiner Tauchbuddies gewünscht, um sich sicherer zu fühlen.

 

Was Sebastian zu viel war, hätte sich Achim dann gerade eben gewünscht. Tja, wie man es macht….

Unter Wasser zwischen Algen sind Nicole von Tauchen mit Handicap und Chris nahe beieinander beim Tauchen zu sehen

Chris, im echten Leben mit drei Bandscheibenvorfällen. Er benötigt Hilfe beim Schleppen des schweren Tauchequipments – und das muss er nicht simulieren. Im Wasser ist er dann befreit von Ballast. Seine eigene Empfehlung: Sidemount-Tauchen.

 

Beim Tauchen ging es „nur“ darum, schnell zu reagieren für den Fall, dass ein Problem auftritt. Chris hat es wörtlich genommen und ein Beinproblem beim Tauchen simuliert. Das kann jedem Taucher passieren. Ein heftiger Krampf im Bein und schon bist du froh, wenn dein Buddy schnell und richtig reagiert. 

Tauchen mit Handicap - immer wieder ausprobieren

Probier so viel wie möglich selbst aus, damit du spürst, wo und wie du am besten helfen kannst. Das ist das Fazit, das wir einhellig nach Abschluss des PADI Adaptive Support bzw. Techniques Diver Kurs ziehen. Tauchen hat viele Facetten - das Tauchen mit Menschen mit Behinderung erweitert das Spektrum nochmal enorm.

Nichts ist selbstverständlich. Gesundheit schon gar nicht!

Wir sind jetzt mehr denn je bereit, ehrenamtlich im Verein das Tauchen für Menschen mit Behinderung anzubieten. Wir sind schon mittendrin – mit Rollifahrer Roland, der mit uns solange an seiner Ausrüstung feilen will, bis er sicher und ruhig abtauchen kann. Mit Max, der ohne Beine, stattdessen mit zwei Prothesen Purzelbäume unter Wasser schlägt und gleich nach dem Schnuppertauchen ganz heiß darauf ist, seinen Tauchschein zu machen. 

Was wir uns vorgenommen haben: Immer vorab selbst ausprobieren und die jeweilige Einschränkung simulieren – so gut das eben gelingt. Damit wir vorher schon den besten Weg finden, optimal und individuell „angepasst“ zu unterstützen. Adaptiv eben. 


Nicole im Porträt mit einer Plastikkarte, das Brevet für Taucher mit Handicap
Fotos: M. Suppa, A. Kurfürst, N. Krass

Endlich, das Brevet ist angekommen. Und hier ist das Ding, ganz altmodisch als Plastikkärtchen. Somit kann ich es wenigstens vorzeigen, bin ja schließlich auch ein bisschen stolz darauf, dass ich mich jetzt PADI Adaptive Support Diver nennen darf. 

 

Bin bereit - für Taucher mit Einschränkungen, Fragen zum Tauchen mit Handicap. Her damit!

 

Ich freu mich darauf,

Eure Nicole 

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Kommentare: 1
  • #1

    Birgit Karetta (Freitag, 30 September 2022 15:28)

    Hallo Nicole, Gratulation zum Padi Adaptive Support Diver ��!!

    Ich habe keine Frage vlt. nur einen kl. Tip der mir persönlich gut geholfen hat.

    Ich hatte jahrelang etwas schwerere Vollgummi Flossen die irgendwann mal kaputt gingen. Kaufte mir neue weiße, leichte Flossen. Probierte sie bei uns im See aus, war sehr zufrieden damit, schnelles vorankommen, leichtes Anziehen.

    Kurz darauf ging es für 10 Tage auf eine Safari.

    Check dive: Abtauchen auf 5m ging schwer aber ich schaffte es. Aber dann: Konnte mich nicht in die "waagerechte" bringen. Totaler Auftrieb der Flossen, kam mir vor wie ein kompletter Anfänger (mit 300+ Tauchgängen). War sehr peinlich. Auf alle Fälle brach ich ab bevor es los ging.

    Bekam von einer Dame an Bord "Fußblei" zum ausprobieren. Und siehe da: Meine Füße / Beine hatten keinen unkontrollierten Auftrieb mehr, Tauchen funktionierte wieder super.

    Ich mit MS und aufgrund dessen mit etwas schwachen Beinen, tue mir mit zu leichten Flossen im Meer sehr schwer und das Blei an den Füßen hilft mir super Wusste vorher gar nicht daß es so etwas gibt.

    Seitdem im Meer kein TG mehr ohne Fußblei!

    Liebe Grüße Nicole,
    Birgit Karetta